Als Zaki während der Winterpause seines Studiums in Massachusetts zurück nach Lahore kommt, erkennt er seine Heimat kaum wieder: »Der Flughafen war neu, und die Straßen waren neu; die Reklametafeln und die Gebäude auf dem Weg dorthin waren erst in den letzten zwei Jahren errichtet worden, Zeichen dafür, dass sich alles laufend veränderte.«
Der Anlass für Zakis Besuch ist die Hochzeit seiner Cousine Samar Api, der engsten Vertrauten seiner Kindheit. Beide wuchsen in den neunziger Jahren in einem von Frauen dominierten Haus in Lahore auf und erlebten die politischen Umwälzungen hautnah mit. Die sogenannte demokratische Dekade Pakistans bildet die Haupterzählzeit in Ali Sethis Roman ›Meister der Wünsche‹: Die ersten freien und fairen Wahlen nach jahrzehntelanger militärischer Herrschaft elektrisieren die Menschen. Dass Premierministerin Benazir Bhutto ihre Wahlversprechen nicht einhält, verschärft die sozialen Konflikte im Land – und als sie 1996 bereits zum zweiten Mal abgesetzt werden soll, gehen ihre Anhänger, darunter viele Frauen, zu Tausenden auf die Straße. Die gesellschaftliche Instabilität spiegelt sich bei Sethi im Kleinen wider: Während Zakis emanzipierte Mutter Zakia eine glühende Anhängerin Bhuttos ist, vertritt seine Großmutter Daadi konservative Werte, hält Wahlen und die Demokratie gar für unnötig.
»›Meister der Wünsche‹ ist mein Versuch, Pakistan zu erklären«, sagt Sethi, »und zwar weniger dem Rest der Welt als vielmehr den Pakistanern selbst.« Er selbst ist nach einem fünfjährigen Auslandsaufenthalt in seine Heimat zurückgekehrt – aus einem persönlichen Verantwortungsgefühl heraus: »Wir erleben zurzeit eine große existentielle Krise in Pakistan; wir müssen uns darüber klar werden, was für ein Staat wir sein wollen und welche Erwartungen wir an die Welt haben. Ich empfinde es als meine Aufgabe, dabei zu sein und meinen Teil zu den politischen Veränderungen beizutragen.«
Tina Rausch