Zu Besuch bei … Rebecca Michéle

Was schreibt sie, wenn gerade Queen läuft? Welche Thematik findet sich bis heute immer wieder in ihren eigenen Romanen wieder? Wer ist der einzige, der sie beim Schreiben stören darf? Willkommen in der Schreibwerkstatt von Rebecca Michéle!

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Eine gewisse Schreibroutine einzuhalten, ist für mich unabdingbar. Zwischen den ersten Sätzen eines neuen Projekts und dem Abgabetermin im Verlag liegen immer mehrere Monate – also Zeit genug, um sich anderen Dingen zu widmen: Schränke aufräumen, in alten Sachen stöbern, Freunde treffen, Bücher lesen oder Musik hören. Das funktioniert so natürlich nicht, denn irgendwann läuft die Zeit davon. Daher setze ich mir ab der ersten Seite ein Tagesziel (Montag – Freitag) einer Seitenzahl. Nur getippt, noch ohne Überarbeitung. Das klappt jedoch nicht jeden Tag. Manchmal wollen meine Gedanken nicht so richtig fließen, manchmal tanzen meine Figuren aus der Reihe und tun nicht das, was ich eigentlich für die vorgesehen habe, oder ich habe Termine, die mir an diesem Tag weniger Schreibzeit bescheren. In der Summe erreiche ich aber in der Regel mein gestecktes Wochenziel.

Am liebsten beginne ich mit dem Schreiben am Vormittag. Nach dem Aufstehen benötige ich eine gewisse Anlaufzeit, ca. eine Stunde, in der ich E-Mail lese und beantworte und mich in den sozialen Netzwerken umsehe, und ein gutes Frühstück, bis auch mein Kopf soweit ist, in eine andere Welt einzutauchen. Zunächst lese ich, was ich am Vortrag geschrieben habe und korrigierte grobe Fehler oder Ungereimtheiten.

Meistens schreibe ich dann bis 14 oder 15 Uhr, danach ist in der Regel der Haushalt angesagt, dabei mache mir aber schon Gedanken zu den Szenen, die am nächsten Tag schreiben möchte, und /oder ich widme mich noch zwei oder drei Stunden den Recherchearbeiten. Die Abenden und Wochenenden sind in der Regel schreibfrei. Einerseits gebe ich an zwei Abenden in der Woche Tanzunterricht, an einem weiteren nehme ich an einem English-Conversation-Circle teil, an den Wochenenden sehe ich zu, dass ich zum Wandern oder Fahrradfahren in die Natur komme, gehe zum Schwimmen, oder ich treffe mich mit Verwandten und Freunden. Wenn mein Mann zu Hause ist, fällt mir das Schreiben sowieso schwerer, da er mich doch immer wieder anspricht und meine Gedanken ablenkt.

Meine erste mechanische Schreibmaschine bekam ich mit zwölf Jahren. Seitdem tippe ich meine Geschichten, zuvor schrieb ich mit der Hand. Mein erster Roman, der 1996 veröffentlicht wurde, verfasste ich auf einem C 64 (die Älteren erinnern sich 😉). Notizen mache ich durchaus handschriftlich, längere Texte schreibe ich ausschließlich am Rechner. Als Angestellte arbeitete ich einige Jahres als stellvertretende Chefsekretärin, somit flitzen meine zehn Finger sehr schnell über die Tastatur.

Meim Hauptschreibplatz ist ein kleines Arbeitszimmer, in dem nur ein Schreibtisch und ein paar Regale stehen. Hier drin kann ich mich zurückziehen und für mich allein sein. Nur der Besuch meiner zwei Kater ist gestattet. 😉 Bei schönem Wetter arbeite ich auch gern im Garten auf der Terrasse, dabei kann ich so schönen meinen Blick auch immer wieder ins Grüne schweifen lassen.

Haben Sie dabei feste Rituale?
Neben der obligatorischen Kaffee- oder Teetasse auf dem Schreibtisch höre ich Musik im Hintergrund. Diese richtet sich nach den Szenen, an denen ich gerade arbeitete. Bin ich z.B. gerade in Cornwall, so laufen cornische Shantys, bei Actionszenen dürfen es Queen oder die Stones sein, bei Liebesszenen gern etwas Romantisches. Auch Klassik höre ich sehr gern. Abgesehen von der Musik sind Ruhe und Ungestörtheit zwei wichtige Faktoren. Während ich schreibe, lese ich nebenher weder Mails, noch gehe ich ans Telefon, mein Handy schalte ich auf lautlos. Allein ein privates Telefonat reißt mich aus meinem Gedankenfluss, danach brauche ich einige Zeit, um wieder in meine Geschichte eintauchen zu können.

Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand oder Ähnlichem?
Griffbereit liegen immer Zettel, auf denen ich spontane Gedanken notiere, in der Handtasche habe ich auch immer einen kleinen Block. Darin notiere ich nur Stichworte, wenn ich unterwegs bin. Während des Schreibprozesses nutze ich die digitale Pinnwand meines Schreibprogrammes. Hier kann ich die Notizen farblich nach Themen und Wichtigkeit sortieren, sodass ich stets einen guten Überblick habe.

Was wollten Sie als Kind werden?
Als Grundschülerin wollte ich Lehrerin werden, wohl, weil ich eine sehr gute und liebe Lehrerin hatte, der ich nacheifern wollte. Später, als Teenager, gab es für mich nur zwei Berufswünsche: Tanzlehrerin oder Schriftstellerin. Tanzlehrerin klappte zunächst nicht, weil ich damals für die Ausbildung mindestens 18 Jahre alt sein musste (Jugendarbeitsschutzgesetz), und Schriftstellerin kann man ja nicht wirklich erlernen. Es dauerte zwar ein paar Jahre, dann wurden meine beiden Berufswünsche jedoch Wirklichkeit.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Wahrscheinlich wie viele anderen Autor:innen der Unterhaltungsliteratur: Gelesen habe ich seit frühester Kindheit, in der Schule habe ich das Schreiben von Aufsätzen geliebt und konnte kaum erwarten, mit einem Thema zu beginnen, und als Jugendliche habe ich die ersten fiktiven Geschichten verfasst. Diese handelten von den üblichen Sorgen, Wünsche und Problemen, die einem in dem Alter beschäftigen. In meinen Geschichten gab es dann immer ein Happy-End. 😉 Eine große Inspiration war meine Mutter, die immer tolle Geschichten erzählen konnte und mir auch die Historie nahebrachte. Geschichtlich war meine Mutter sehr gebildet, so schrieb ich bereits in jungen Jahren kleine historische Romane.

Welche/r Autor*in/welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
In meiner Kindheit war es das Buch ›Heidi‹ von Johanna Spyri. Ich weiß nicht, wie oft ich es gelesen habe. Die Thematik – armes Mädchen taucht in eine wohlhabende Welt ein, in der alles mit Geld zu kaufen ist, ist aber zutiefst unglücklich – zieht sich bis heute immer wieder mal durch meine Romane. Später waren es die Bücher von Daphne de Maurier, Agatha Christie, Jane Austen und Victoria Holt (letztere veröffentlichte auch unter den Namen Philippa Carr und Jean Plaidy). Wieder war es meine Mutter, die diese Romane regelmäßig las. Gerade die von Victoria Holt geschilderten Verbindungen zwischen historischen Charakteren und Ereignissen und fiktiven Geschichten und Figuren faszinierten mich. Bereits früh war mir bewusst, dass ich eines Tages auch in dieser Art schreiben möchte.

Welcher Autor sollte unbedingt noch entdeckt werden?
Das ist schwer zu beantworten. Ich lese nur Bücher von Autor:innen, die bereits veröffentlichen, also bereits „entdeckt“ sind. Immer wieder finde ich Romane, die ich wegen ihrer Thematik kaufte, von Autor:innen, die wenig bis gar nicht bekannt sind, obwohl deren Werke es durchaus verdient hätten, auf die Bestsellerlisten zu kommen.

Welches Buch hat Sie jüngst begeistert?
Nahezu jedes Buch beeindruckt und begeistert mich, in den letzten Monaten habe ich für mich jedoch den Autor Jeffrey Archer entdeckt, besonders die Clifton-Saga. Alle sieben Bände las ich in einem Rutsch.

Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen?
Alle Werke von William Shakespeare im Original. Dafür benötige ich aber viel Zeit und auch Geduld, denn sie sind nichts für mal kurz vor dem Schlafengehen zu lesen.

Was lesen Sie zurzeit?
Derzeit lese ich ›Die Straße der Hoffnung‹ von Felicity Whitmore. Es handelt sich um den 2. Band der Saga ›Die Frauen von Hampton Hall‹.

Wo lesen Sie am liebsten?
Im Sommer gemütlich auf der Liege im Garten, im Winter gern in der Badewanne mit einer Tasse Tee, und eigentlich jeden Abend im Bett vor dem Einschlafen. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass die Nacht kurz wird, wenn mich ein Buch fesselt. Fahre ich mit der Bahn oder muss ich bei Ärzten warten, habe ich immer ein Buch in der Handtasche und nutze die Zeit zum Lesen. Es ist auch schon mal vorgekommen, dass ich mit der S-Bahn eine Station zu weit gefahren bin, weil ich derart von der Lektüre gefesselt war.

Wofür legen Sie jedes Buch beiseite?
Für Menschen, die mir lieb und wichtig sind, für Spieleabende, fürs Tanzen, Wandern, Radfahren und durchaus auch für einen schönen Film oder einer Serie im Fernsehen.